Kritiken

* – „MOCASE kämpft nicht nur gegen die mächtigsten Konzerne für eine andere Welt. Im Kleinen wird schon an der neuen Welt gebaut.“ (Alix Arnold in „ila“)

* – „[…] der Film verfällt weder in einen Katastrophentonfall, noch versetzt er die Zuschauer*innen in einen Zustand des wehmütigen Bedauerns. Hier gibt es keine bemitleidenswerten, armen Landleute, sondern eine gut organisierte und selbstbewusste Landbewegung, die mutig ihre Rechte verteidigt – gegen die Konzerne, aber auch die korrupte landeseigene Regierung, von der sie alleingelassen wird. Die Campesin@s sind gebildet und politisch gut informiert, sie strahlen ein bewundernswertes Selbstbewusstsein aus und lassen sich auch durch den kaltblütigen Mord an zwei Mitstreitenden nicht einschüchtern. Dabei halten sich die Filmemacher*innen weitgehend zurück und lassen ausschließlich die Campesin@s sprechen – keine Erzählstimme, keine Kommentare aus dem Off. Die Stimme des Films ist die Stimme der Campesin@s.“ (Lea Fauth in Lateinamerika Nachrichten [495/496, September-Oktober 2015])

* – „Die Stärke des Films ist, dass er der Faszination von Gewalt widersteht. Zwar ist der Mord an Cristian Ferreyra der Ausgangspunkt der Erzählung. Die KameradistInnen verzichten aber darauf, Brutalität in grellen Bildern auszumalen, um beim Publikum Empörung zu erzeugen. Sie zeigen keine heroischen Helden und keine Opfer. Stattdessen sieht man Menschen während ihrer alltäglichen Verrichtungen. Menschen, die sich widersetzen, indem sie über die Zukunft nachdenken und sich ihrer Geschichte bewusst werden.“ (Prager Frühling Magazin)

* – „Wenig Menschen, Felder, Heilige rote Felsen der Ureinwohner – die großen Metropolen aus Beton mit Autolärm und Businessanzügen weit weg. Hier ist die »Chacarera« geboren, der so fröhlich-melancholische Tanz der schnellen Beine und einfachen Leute mit ihren abgewetzten Schuhen, gefälschten Fußballtrikots und der dunklen Haut der Landbevölkerung. Bis zu 50 Grad Celsius bringen die raue Chaco-Landschaft im Sommer zum Vibrieren. Im Winter kracht das Thermometer bis auf neun Grad unter Null herunter. Und immer wieder dieser starke Südwind, der durch Gras und Ziegenhaar rauscht, bis er die Stacheldrähte eingezäunter Ländereien zum Schwirren bringt. (…) Statt Karabiner in die Hand zu nehmen, soll Bildung die Befreiung bringen. Immer weiter frisst sich die argentinische Soja-Frontier vor. Das Geschäft mit Landtiteln für den Futtermittel-Export »für die Rinder und Schweine in den reichen Ländern« wird systematisch von Justiz, Polizei und Politik gedeckt. (…) »Macht doch mal die Augen auf!«, dieser Aufforderung eines Aktivisten kommt »Ohne Rast. Ohne Eile« nach.“ (Benjamin Beutler / Neues Deutschland)

* – „Wäre dies keine Dokumentation, sondern etwa ein französischer Comic, der eine fiktive Geschichte erzählt, so könnte man auch folgendermaßen einleiten: „Wir befinden uns im Jahre 2012. Ganz Argentinien ist von multinationalen Agrarkonzernen besetzt. Ganz Argentinien? Nein! Eine von Indigenen bevölkerte Region namens Monte hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.“ Diese offensichtliche Assoziation mit den „Asterix“-Comics ist nicht etwa aus rein humoristischen Beweggründen gewählt. Sie trifft auf die Frauen und Männer der Landarbeiter-Bewegung MoCaSe-VC, um die es im Film geht, vollkommen zu; mit dem Unterschied, daß hier nicht mit Zaubertrank und Muskelkraft gekämpft wird, sondern mit Hingabe für die Sache, Überzeugung, Liebe, sowie – nicht zu vernachlässigen – mit Geduld und Verstand. (…) OHNE RAST. OHNE EILE scheint für den europäischen Zuschauer, der von den dortigen Ereignissen keinen Schimmer hat, im ersten Moment noch so weit weg. Minute für Minute wird einem jedoch bewußt, daß die Dokumentation auch vom Mars sein könnte, sie wäre dadurch nicht weniger wichtig und aktuell.“ (Philipp Winkler / Playerweb)

* –  „Die politische Linke Europas sieht schon seit einigen Jahren sehnsüchtig nach Südamerika und auf den dortigen Aufstieg linker Bewegungen. Doch was bedeutet dort antikapitalistischer Protest auf regionaler Ebene? Was treibt die Menschen an, die zuweilen ihre Leben riskieren? Darüber berichtet “Ohne Rast. Ohne Eile”, der neue Dokumentarfilm der Filmgruppe Kameradisten. Er feierte Ende letzter Woche seine Premiere in einem fast vollbesetzten Saal des Berliner Kino ACUD. (…)

Gewöhnungsbedürftig ist der Verzicht auf die üblichen Einblendungen von Namen und Funktion der interviewten Personen. Erst im Abspann erscheint eine entsprechende Auflistung. Die Idee dahinter ist einfach: Die Funktion der Person soll das Gesagte nicht von vornherein “überlagern”. Der ältere Mann mit Brille der hinter einem getäfelten Tisch über die Vorbildfunktion der bolivianischen Verfassung (“Nicht nur der Mensch, auch die Erde hat dort Rechte”) doziert? Das vor ihrer einfachen Hütte sitzende, Mate-Tee trinkende Bauernehepaar? Der redselige LKW-Fahrer, der die aristotelische (westlich-koloniale) und sokratische (revolutionäre) Philosophie gegenüberstellt? Tatsächlich funktionieren diese Szene auch ohne weitere Erläuterung, ohne interaktive Grafiken oder den sich ins Bild drängenden Reporter. “Ohne Rast. Ohne Eile” lässt seinen Protagonisten Zeit und Raum zum Reden – und der Zuschauer bekommt eine Ahnung von der Motivation, der Kraft und der Energie der Bewegung.“ (Max Staude / LiMA)

* – „Diese Menschen behalten ihre Wurzeln und entwickeln sich trotzdem stetig weiter – es gibt keinen Stillstand – und sie zeigen, dass es möglich ist, die Stirn zu bieten, selbst wenn nur ganz wenig Mittel dafür zur Verfügung stehen! Mich haben die Dokus „Ohne Rast. Ohne Eile.“ und „Sachamanta“ persönlich tief berührt, weil sie einfach viel mehr mit auf den Weg geben als „nur“ eine Dokumentation von organisiertem Protest. Sie schenken Hoffnung. (…) Mein ganz persönlicher Wunsch ist, dass viele viele Menschen sich diese Filme anschauen mit offenen Herzen und sich berühren lassen und nicht nur das, sondern (dass sie) auch die nächsten Schritte gehen mit Anderen zusammen, die nötig sind für eine gerechtere Welt.“ (Bille Klein, Griechenlandtagebuch)

* –  Auch „Ohne Rast. Ohne Eile“ reiht sich nahtlos von der Machart in die Reihe von „Sachamanta“ und „Tincunacuy“ ein. Als Zuschauer wird man von Beginn an ins kalte Wasser geschmissen – und befindet sich direkt mittendrin in einer lautstarken Kundgebung. Eine Einführung oder gar Erklärung gibt es nicht, dennoch bekommt man schon nach wenigen Szenen mit, um was es hier geht. Auch „Ohne Rast. Ohne Eile“ rückt den Kampf der Kleinbauern gegen Konzerne und den korrupten Staat in den Mittelpunkt.(…) Das Ganze in der für die Kameradisten distanzierten Machart, bei denen die Protagonisten zu Wort kommen und keine Off-Stimme den Zuschauer an die Hand nimmt. (Filmewelt)

* – „Nach dem beeindruckenden Dokumentarfilm “Sachamanta”, sind die Kameradistinnen mit einem weiteren Film aus dem Norden Argentiniens zurückgekehrt. „Ohne Rast. Ohne Eile” zeigt, wie die in der LandarbeiterInnen-Bewegung MoCaSe-VC organisierten indigenen Gemeinden in Santiago del Estero sich für das Land und das Leben erheben. Jenseits des bekannten urbanen weißen Tango-Argentiniens wird der Blick auf das gemeinhin unbekannte indigene und kleinbäuerliche Argentinien gerichtet, dessen Bevölkerung, wie wir im Film erfahren, sich erst selbst als indigen entdecken musste. Die in der weltweiten LandarbeiterInnen- und Kleinbauernorganisation Via Campesina organisierten AktivistInnen von MoCaSe kämpfen gegen Landraub und den todbringenden Anbau von Monsanto und anderen Agro-Industrien. Dabei sind es nicht nur Pestizide und Herbizide die sie töten, sondern auch die Kugeln von Großgrundbesitzern und Agroinvestoren.

Der Film begleitet die LandarbeiterInnen in ihrem Alltag und Kampf vor Ort wie auch in ihren Protesten in der Hauptstadt Buenos Aires. „Die Organisation besiegt die Zeit“ heißt es auf einem Transparent. So haben die Menschen vor Ort nach langen Jahren des Kampfes die Anerkennung als indigene Gemeinde erreicht und bauen gerade eine Hochschule, die Studiengänge wie Agroökologie oder Land und Menschenrechte anbieten wird. „Sin prisa pero sin pausa” demonstriert eindrücklich: Widerstand ist nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich.“ (Dario Azzellini)

* – „Sie schwenken unzählige Fahnen, sie binden Transparente mit ihren Forderungen an Zäune, aber sie schreien vor allem laut aus, wer sie sind und was sie wollen. Kinder, Frauen und Männer. Alle zusammen im Chor: „Somos campesinos“ – wir sind Kleinbauern.

Im zweiten Teil ihrer Dokumentation über die Kleinbauern aus dem Norden Argentiniens mit dem Titel „Sin prisa pero sin pausa“ – ohne Rast, aber ohne Eile – begleitet das Berliner Filmteam der Kameradistinnen die Campesinos zunächst auf ihrem Protestzug durch Buenos Aires und vor das Parlamentsgebäude der argentinischen Hauptstadt. Mehr als 1000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat, der Provinz Santiago del Estero, fordern sie das Recht auf ihr Land, das sie seit vielen Generationen bewirtschaften sowie die gesetzliche Anerkennung als indigene Gemeinden. Die Campesinos protestieren gegen die Privatisierung von Saatgut und für eine gesunde Ernährung sowie die Sicherung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

Bereits in diesen ersten Sequenzen deutet sich an, wie kraftvoll sich MoCaSe (Movimiento de Campesino Santiago del Estero), die Organisation der Kleinbauern im Kampf um ihr Land weiter entwickelt hat. In einfacher Bildersprache lassen die Kameradisten ohne Kommentare ihre Protagonisten zu Wort kommen. Noch im ersten Teil hatte eine Frau, den Teig, den sie knetete mit ihrer Organisation verglichen und festgehalten: Er müsse bewegt werden, damit er sich vereinigen könne. Damals hatten sie Radiostationen ins Leben gerufen, um sich besser zu vernetzen. Zäune, die auf ihr Land gesetzt wurden, hatten sie eingerissen. Der aktuelle Film erzählt die Geschichte der Campesinos weiter und zeigt das einfache Leben in Santiago del Estero – vom Ziegen melken bis zum Kochen auf spartanische Weise. Er zeigt dabei aber auch lächelnde Menschen, die mit diesem Leben zufrieden zu sein scheinen. Die Protagonisten berichten von ihrem unermüdlichen Kampf gegen Konzerne und Politiker, von Opfern, die sie beklagen und von den Fortschritten, die die Organisation erreicht hat.

An einer agrarökologische Schule soll Wissen weitergegeben werden. „Lernen und Lehren“, seien die Maxime, wie ein Mann im Interview sagt. Noch stehen die Gebäude leer, das geplante Schwimmbecken ist noch ein Erdloch. Auch die geplante Universität mit arbeiterfreundlichen Kurszeiten ist noch im Bau. Doch es ist die Überzeugung und die Zuversicht, die der Zuschauer aus den Gesichtern und Stimmen in den Interviews ablesen kann, die zeigen, dass die Vorhaben auch abgeschlossen werden. Ohne Rast, aber eben auch ohne Eile.

Diese Menschen glauben an ihre Sache und das kann ansteckend wirken für die Zuschauer. „Prinzipiell ist die ganze Welt eingeladen an unserer Universität zu lernen“, sagt eine Frau, für die die Uni ein Teil des Kampfes ihrer Bewegung sei. Und das ist ein globalisierter Kampf. Denn letztlich geht dieses weltweite Ringen um Ernährungssouveränität uns alle an.“ (Clemens Dörrenberg / gekürzte Version in Frankfurter Rundschau v. 10.12.2015)

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